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Klimafahrplan
Klimafahrplan

(Juni 2021) Kommentar zum Handlungsfeld Mobilität des KFP-Entwurfs

Der Klimafahrplan (KFP) wird erst dann für die Öffentlichkeit freigegeben, wenn er vom Gemeinderat verabschiedet ist. Nach einem dreiviertel Jahr Entwicklungszeit unter Beteiligung vieler Akteure ist davon auszugehen, dass der mir vorliegende KFP-Entwurf (nichtöffentlich) der zukünftigen finalen Version sehr nahe kommt. Der Bereich Mobilität enttäuscht. Als VCD-Vertreter im Klimabeirat sehe ich mich in der Pflicht, die Dinge frühzeitig geradezurücken.

Martin Dietze, Klimabeirat für den VCD


 

Historie: Im September 2020 begann der Prozess "Herrenberg klimaneutral 2050: Erstellung eines Klimafahrplans unter Beteiligung der Herrenberger Bürgerschaft". Die Firma B.A.U.M. Consult wurde mit der Federführung beauftragt. Bis heute (Oktober 2021) wurden 16 Sitzungen veranstaltet, davon zwei öffentlich für die gesamte Bürgerschaft ("Klimawerkstatt"). Acht Sitzungen erfolgten nichtöffentlich mit dem sogenannten "Klimabeirat", der sich aus jeweils einem Vertreter einer örtlichen Organisation zusammensetzt (Ratsfraktionen, Stadtwerke, Stadtjugendring, VCD, ADFC, BUND...). Sechs weitere teil-öffentliche themenbezogene Sitzungen gab es mit Vertretern der lokalen Wirtschaft und einzelner Interessengruppen ("Klimaworkshop").

Das Thema Klimaneutralität stellte sich als äußerst komplex heraus. Die Gliederung des ersten (Teil-)Entwurfs eines Klimafahrplans (KFP) durch sogenannte Leitprojekte wurde verworfen. Man kritisierte Redundanzen, Überschneidungen und Unschärfen.

Nach dem Urteil des VGH Karlsruhe am 29. April 2021 ("Klimaklage") wurde der KFP umbenannt in Herrenberg klimaneutral 2045. Die Inhalte werden nach und nach angepasst.

Inzwischen liegt ein verbesserter KFP-Entwurf vor mit sogenannten Handlungsfeldern, die in Maßnahmen untergliedert sind. Eine erste Version des verbesserten KFP-Entwurfs wurde am 24. Juni dem Klimabeirat in einer Sitzung (nichtöffentlich) vorgestellt. Die Beiräte gaben daraufhin viele schriftliche Kommentare ab 1). Am 19. Juli wurde eine nochmal überarbeitete Version des KFP als Kurzversion (immerhin 80 Seiten) an den Klimabeirat verschickt. Auf der folgenden Klimabeirats-Sitzung (nichtöffentlich) am 22. Juli 2021 wurde der Entwurf nochmal diskutiert. Basierend darauf sollen eine finale Kurz- und eine finale Langversion des KFP an alle am Prozess beteiligten Akteure verschickt werden - ein Termin steht noch nicht fest, voraussichtlich noch diesen Herbst. Es werden keine grundlegenden Änderungen mehr erwartet. Ende 2021 soll der KFP dem Gemeinderat zur Verabschiedung vorgelegt werden.

1) Den schriftlichen Kommentar von Klimabeirat Martin Dietze (VCD) zum KFP an die Verwaltung und die Firma B.A.U.M. finden Sie hier.


 

Im Folgenden wird das Handlungsfeld Mobilität des KFP-Entwurfs kritisch durchleuchtet, insbesondere die Rolle des IMEP.

39% des gesamtenTreibhausgas(THG)-Ausstoßes der Kommune Herrenberg wird durch den Verkehr verursacht. Damit ist der Verkehrssektor der größte THG-Emittent in Herrenberg.

Man sollte meinen, der KFP gewichtet das "Handlungsfeld Mobilität" entsprechend. Wir schauen uns den Maßnahmenkatalog an:

MOB 1 Klimafreundliche Mobilität in der Stadtverwaltung
MOB 2 Verbundprojekt mit Herrenberger Betrieben
MOB 4 Evaluierung und Fortschreibung des IMEP
MOB 5 Modellgebiet für zukunftsfähige Mobilität
MOB 7 Aufbau eines Verteilzentrums in der Innenstadt
MOB 8 Weiterentwicklung der bestehenden Co-Working Space Angebote
MOB 11 Ausweitung des Konzepts Leihbares Lastenrad
MOB 12 Fortführung des Herrenberger Rikschaprojekts
MOB 13 Ausbau des bestehenden Fahrradkurierservice
MOB 14 Mobilitätsverbesserung an Herrenberger Schulen
MOB 19 Öffentliche und private Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge
MOB 20 Modellprojekt klimafreundliche Antriebe

Die spärlichen Maßnahmen wirken kraftlos. Es fehlen z. B. ÖPNV, Fuß- und Radverkehr incl. Infrastruktur, Parkraum-Management, summa summarum der klimafreundliche Umbau des Modal Split. Stattdessen kommt der IMEP 2030 (Integrierter Mobilitäts-Entwicklungs-Plan) ins Spiel: MOB 4 Evaluierung und Fortschreibung des IMEP.  Wer meint, der IMEP wird endlich auf Klimawirksamkeit untersucht und nachgebessert, täuscht sich. Zitat aus dem KFP-Entwurf:

Evaluierung und Fortschreibung des IMEP  
Der IMEP ist nach einem 4-jährigen Prozess im Mai 2019 und damit vor dem Beschluss (02/2020) zur Erstellung eines Klimafahrplans und der Zielsetzung der Klimaneutralität bis spätestens 2045 verabschiedet worden und wird derzeit umgesetzt. Circa in 2024 – also zur Halbzeit des IMEP - soll die Umsetzung der IMEP-Maßnahmen evaluiert und unter der neuen Zielstellung der Klimaneutralität fortgeschrieben werden. Die zusätzlichen Mobilitäts-Maßnahmen aus dem vorliegenden KFP sollen dabei integriert werden und das Maßnahmenbündel auf Zielkonformität überprüft und ggf. nachgesteuert werden.

Das heißt im Klartext:

Die effektivsten Maßnahmen des Handlungsfeldes Mobilität wurden aus dem KFP eliminiert. Stattdessen wird der IMEP ohne Bezug auf den KFP und ohne Gewichtung der Maßnahmen auf THG-Einsparung unverändert umgesetzt. Erst nach drei Jahren wird "ggf. nachgesteuert".

Dazu die Aussage der Verwaltung: Der IMEP ist nicht verhandelbar, da er verbindlich vom Gemeinderat beschlossen wurde; die Maßnahmen sind festgeschrieben. Bestätigt wurde das  in der letzten Sitzung des Klimabeirates von den Vertretern des Gemeinderates, auch von den Grünen (!). Pikant: gerade sie mahnten immer wieder den fehlenden Bezug des IMEP zum Klima an.

Der Herrenberger Verkehr wird weiterhin jedes Jahr den THG-Gehalt der Atmosphäre um circa 90.000 Tonnen erhöhen. Zumindest bis 2024. Was danach passiert: dazu gibt es keinen Plan. Klimaschutz wird politischem Formalismus geopfert.

Es stellt sich die Frage: Warum hat die Verwaltung ihre Bürger*innen an der Entwicklung des KFP-Handlungsfeldes Mobilität beteiligt, wo doch die Maßnahmen im IMEP vorgegeben sind? Dazu ist zu sagen: niemand wusste von der "Unverhandelbarkeit" des IMEP, auch seitens der Verwaltung war das kein Thema. Als das langsam durchsickerte, wollte es niemand glauben. Sogar die Stabsstelle Klimaschutz hielt die Idee, den IMEP auf Klimaneutralität anzupassen und in den KFP zu integrieren, für sinnvoll und machbar.

Mein persönlicher Eindruck von der letzten Klimabeirats-Sitzung. Die Mobilität kam als letzter Punkt auf die Tagesordnung, kurz vor Schluss. Ich argumentierte sinngemäß: "Im Gegensatz zum KFP finden sich im IMEP keine Zahlen über die THG-Einsparungen der Maßnahmen. Viele Maßnahmen im IMEP beginnen mit dem einleitenden Satz 'Es wird angestrebt'  oder 'Vorgeschlagen wird'. Von daher ist der IMEP alles andere als ein Klimafahrplan. Damit ist die Mobilität aus den Herrenberger Klimaschutzplänen raus."  Die Verwaltung ging überhaupt nicht auf meine Argumente ein. Ich fühlte mich regelrecht abgefertigt. 


Offizielle Informationen der Verwaltung zum Prozess "Herrenberg klimaneutral 2045" finden Sie z. B. hier. Die dort abweichende Jahreszahl 2050 stammt noch vom Beginn des Prozesses, als der VGH Karlsruhe die Klimaklage noch nicht entschieden hatte.


Zitat: Die Verbindung von großmäuligen Zielvorgaben, die "Klimaneutralität" bis 2050 versprechen, und gleichzeitiger Planlosigkeit, wie das denn zu erreichen sei, ist ein Zeichen brutaler Ignoranz.
(Fred Grimm, Mitarbeiter der Redaktion von
SCHROT & KORN  08/2021, Seite 50, Kolumne)


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