(16.03.2022) Bei der Diskussion um die sogenannten "Schottergärten" gerät die viel schlimmere Wohnungsbaupolitik der 60ger Jahre und danach aus dem Blickfeld. Man plante die autogerecht zugeteerte Siedlung. Die Google-Luftbilder zeigen den gegenwärtigen Zustand (2020).
Affstätt: Die Häuser mit ihren kleinen Gärten wirken wie eingeklemmt zwischen den Zubringerstraßen. Wurden die großzügigen Asphaltschneisen als zukünftige Parkflächen für Zweit-und Drittwagen vorgesehen? Man beachte die überbreite Nelkenstraße im Vergleich zur zierlichen Mühlstraße rechts (Bundesstraße!).
Kuppingen: Welchen Sinn haben die geteerten Höfe? In der Regel stehen die Autos in den Garagen und auf den eigenen Stellplätzen.
Kuppingen: Wenn man die Grundflächen der Häuser abzieht, sind geschätzt 50 Prozent der restlichen Flächen zugeteert und versiegelt. Vielleicht waren die fünf quadratischen Asphalt-Höfe als Wendeplatten für Wohnmobile gedacht.
Abgesehen von der verheerenden Klimabilanz der versiegelten Flächen: es ist teures Bauland unter Asphalt begraben.
So baute man in den 70er Jahren. Man beachte insbesondere die Gehweg"breite" rechts im Bild. Wenn man bedenkt, dass der Quadratmeter Bauland in Kuppingen einen halben Tausender kostet, liegt hier viel Geld unter Asphalt. Der Platz ist biologisch tot und auch sonst absolut nutzlos. (Fotografiert in Kuppingen im August 2019)
Straßenrückbau? Begrünung? Nein, das ist keine fixe Idee von alternativen Öko-Verkehrsplaner*innen. Das ist absolut überfällig. Nur in Herrenberg ist das noch nicht angekommen. Allerhöchstens, wenn es mit außenwirksamer Kosmetik in Altstadtnähe verbunden ist, wie beim Umbau der Seestraße in einen "See-Boulevard".
Prof. Dr. Hermann Knoflacher (TU Wien) und Prof. Dr. Heiner Monheim (Uni Trier) haben den "Stuttgarter Appell" verfasst und ihn am 3. Februar 2020, anlässlich der 500ten S21-Montagsdemo, der Öffentlichkeit vorgestellt. Der Appell ist u. A. an die Landesregierung gerichtet. Wir zitieren daraus:
(...) Baulandreserven mobilisieren durch Um- und Rückbau von Straßen und Parkplätzen: Ersatzweise für die damit wegfallenden städtebaulichen Entwicklungsflächen müssen und können bisherige Verkehrsflächen im Hauptverkehrsstraßennetz und dessen vielfach überdimensionierten Kreuzungen sowie den überdimensionierten öffentlichen Parkierungsflächen gewonnen werden. Neben der Funktion als Bauland können diese Flächen teilweise auch als Baumstreifen für neue Alleen und als Platz für Fuß- und Radverkehr genutzt werden. Diese Strategie bietet einen doppelten Effekt: sie reduziert die übermäßig Kfz-Verkehr erzeugenden Hauptverkehrsstraßen- und Parkraumkapazitäten auf das unabdingbare Mindestmaß und sie stellt kostenlos Bauland für kleinteiligen öffentlichen Wohnungsbau zur Verfügung, der endlich wieder in zentralen Lagen preiswertes Wohnen ermöglicht. Damit wird in doppelter Weise Verkehrsvermeidung praktiziert. Und die intensivierte Stadtbegrünung befreit Stuttgart aus seinem Hitzestau und Emissionsdilemma. (...)
Der Stuttgarter Appell kann hier eingesehen werden.