Herrenberg ist permanent im Umbau begriffen. Neue Baugebiete, Neugestaltung des Seelesplatz, "Intelligente Ampelsteuerung", Klimafahrplan, IMEP - jeder Abschluss einer Maßnahme wird eine geänderte verkehrliche Situation in Herrenberg schaffen. Unser Positionspapier wird daher laufend überarbeitet.
Herrenberg ist ein sogenanntes „Mittelzentrum“ am Rande des Großraums Stuttgart. Der sich keilförmig in die Innenstadt schiebende Schlossberg, dichte Bebauung, enge Straßen und die die Kernstadt durchschneidende Gäubahn-Trasse erschweren eine Verkehrsplanung, die allen Verkehrsteilnehmenden angemessenen Raum gibt.
Hoher Durchgangsverkehr. Im Zentrum kreuzen sich zwei Bundesstraßen und zwei Landessstraßen, zusätzlich ist Herrenbergs Innenstadt Teil der Umleitungsstrecke bei Sperrungen der A81 im entsprechenden Autobahnabschnitt.
Hoher Binnenverkehr. Herrenberg ist durch sieben die Kernstadt kreisförmig umgebende Teilorte, teils bis zu 4 Kilometer entfernt, "zergliedert".
Hoher Ziel- und Quellverkehr. Durch die landschaftlich attraktive Lage am Schönbuchrand und die Nähe zum Nordschwarzwald ist Herrenberg beliebt als Wohnsitz für Arbeitnehmer im Großraum Stuttgart.
Wenig Fahrradverkehr. Hügelige Topografie und dichter Autoverkehr erschweren Zufußgehen und Radfahren, letzteres gewinnt aber durch Pedelecs und E-Bikes zunehmend an Bedeutung.
Unattraktiver ÖPNV. Die Gäubahn und die S1 wären attraktive Verbindungen in den Großraum Stuttgart, wenn nicht Stuttgart 21 und die marode Bahn-Infrastruktur häufige, teilweise massive Verspätungen und Zugausfälle verursachen würden. Die Ammertalbahn nach Tübingen ist zur Zeit Baustelle, sie wird elektrifiziert und teilweise zweispurig ausgebaut. Aktuell: Die Gleisarbeiten und die Elektrifizierung ist abgeschlossen, aber neue "Hardware" (Triebwagen, Signale, Sensoren) und Probleme bei der Zugsteuerung durch komplexe Bedienung und unfertige Software verursachen Ausfälle und Verspätungen. Der örtliche Busverkehr dient überwiegend als Zubringer zum Herrenberger Bahnhof und leidet unter der schlechten "Reisekettenanschlusspünktlichkeit". Die Busse auf den Verbindungen zwischen Kernstadt und Teilorten haben außerhalb des Schülerverkehrs wenig Bedeutung. Sie fahren besonders abends zu selten und sind relativ teuer. Das liegt an der zwingenden Preisbindung zu den VVS-Tarifen. Das betrifft auch die Stadtbusse innerhalb der Kernstadt. Verbesserung: Das Stadtticket ist mit 3,50 € (für eine Tageskarte) im gesamten Stadtgebiet recht attraktiv. Nicht zuletzt bedeuten die S21-Umbauarbeiten mit dem geplanten Gäubahn-Zwangsstopp in Vaihingen eine deutliche Verschlechterung der Verbindung nach Stuttgart.
Einfluss von Handel und Gewerbe auf den Verkehr. Die kleinteilige Altstadt leidet zusehends unter leer stehenden Ladenflächen. Ein Hauptpunkt ist das veränderte Kaufverhalten, die Verlagerung des Konsums ins Internet. Ein weiterer Grund ist die starke Konkurrenz durch Tübingen, Böblingen, Sindelfingen, Stuttgart und Nagold. Außerdem mangelt es in der denkmalgeschützten Altstadt an attraktiven größeren Ladenflächen, oft wegen hemmender Auflagen für die nötigen Innen- und Außenausbauten. Ansonsten ist Herrenbergs Kernstadt mit Läden für den täglichen Gebrauch gut bestückt, leider massieren sich Großmärkte im Norden und Westen, im Süden und Osten fehlen sie praktisch.
Im Zentrum der Kommunalpolitik steht aktuell die Errichtung zusätzlicher Gebäudekomplexe für Handel und Gewerbe (z. B. Seeländer-Areal, Marquard's, (beide inzwischen fertiggestellt), BayWa-Gelände. Die Ansiedlung weiterer Supermärkte im Seeländer-Areal (Lidl, Rossmann, Denn's Bio-Markt) soll die Kaufkraft aus den umliegenden Gemeinden anziehen. Ziel der Verwaltung ist, durch steigende Besucherzahlen auch die Altstadt zu beleben und dadurch Anreiz zur Gründung von neuen Läden in der Altstadt zu geben. Ob die Maßnahmen tatsächlich erfolgreich sind und Kaufkraft für Herrenberg zurückgewinnen oder ob sie nur eine weitere Stufe der gegenseitigen Kannibalisierung zwischen den Orten führt, ist offen. Sollte die Strategie erfolgreich sein, ist künftig mit steigendem Verkehrsaufkommen zu rechnen, besonders mit mehr Ziel- und Quellverkehr.
Die sieben Teilorte sind unterschiedlich mit Läden für den täglichen Bedarf ausgestattet: Kuppingen sehr gut mit drei Bäckern, einem Metzger und einem NETTO-Markt, Haslach hingegen schlecht ohne Bäcker.
Autofreundliches Stadtklima. Herrenberg ist seit Jahrzehnten einseitig vom Auto geprägt. Wie andere Städte wurde und wird Herrenberg im Rahmen seiner Möglichkeiten „autogerecht“ gedacht (symptomatisch ist die Planung neuer Stadtviertel mit traditionell hoher PKW-Stellplatzdichte. Nein! Man hat gelernt und plant Baugebiete mit Stellplatzschlüsseln unter 1,0!). Ein verstärkender Faktor mag auch die Wirtschaftsstruktur in der Region sein, die vom naheliegenden Autobauer „Daimler“ geprägt ist. Bis heute wird der MIV (der „motorisierte Individualverkehr“) von der Verwaltung und der Mehrheit im Gemeinderat als unersetzliches Fortbewegungsmittel vehement verteidigt und der Verkehrsfluss mit hoher Priorität auf das Auto ausgelegt.
Neubaugebiete. Herrenberg ist laut Regionalplan eine Gemeinde im Siedlungsbereich. Dies spricht der Stadt zu, über den Eigenbedarf hinaus Wohnbauflächen für den Zuzug von außen bereitzustellen. Aktuell ist mit "Herrenberg Süd" ein Wohngebiet für 1400 Menschen in der Planung. Weitere kleinere Gebiete (Schäferlinde, Zeppelin-Areal, Aichbach-Areal) sind in der Planung oder im Bau.
Ohne grundlegende Neuausrichtung der Stadtplanung wird der motorisierte Individualverkehr weiter zunehmen.
Der IMEP 2030 (Integrierter Mobilitätsentwicklungsplan) beabsichtigt, Fuß, Fahrrad und ÖPNV zu stärken und den MIV im Stadtzentrum einzuschränken (beides nur mutlos, so unsere Sicht. Auch fehlt jeglicher Ehrgeiz bezüglich notwendiger Klimaschutzmaßnahmen). Der MIV soll zukünftig mittels einer intelligenten Ampelsteuerung stellenweise vor den Stadtgrenzen abgefangen und portionsweise flüssig durch die Innenstadt geleitet werden. (Das ist bis heute noch kaum realisiert, trotz "intelligenter Ampelsteuerung". Sie ist noch im "Lern-Modus". Wir haben eine massive Zunahme von Staus auf der Horber Straße.) Der Innenstadtverkehr im Zentrum (Reinhold-Schick-Platz, Seestraße, Horber Straße, Hindenburgstraße) wird etwas verlangsamt und durch Verlagerung auf andere innerörtliche Straßen (Mühlstraße, Zeppelinstraße, Daimlerstraße, Benzstraße) stellenweise ausgedünnt. In der Summe handelt es sich um bloße Umlagerungen innerhalb der Kernstadt. Besonders die nahe an Wohngebieten vorbeilaufende Nagolder Straße und Mühlstraße leiden unter massiv erhöhtem Verkehrsaufkommen. Auf der "Nordumfahrung" hat sich der Verkehr in den letzten Jahren mindestens verdreifacht. Die Folge sind stark angestiegene Lärmemissionen.
Parkplätze werden teils abgebaut teils hinzugebaut, in der Summe wird es mehr Parkplätze geben. Die Fahrradinfrastruktur wird stückweise ausgebaut, bisher nur dort wo dafür keine großen finanziellen Belastungen und Tiefbaumaßnahmen anfallen und der MIV nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Verbesserung! Neue moderne Radabstellanlagen am Bahnhof und stückweise Sanierung maroder Fahrradbügel! Positiv jedoch sehen wir die neuen Radschutzstreifen entlang der Horber und Hindenburgstraße, auch wenn sie aufgrund der engen Verhältnisse und der Anlieferstellen an Geschäfte unterbrochen sind.
Mit den geplanten Maßnahmen werden künftig kaum weniger Autos in Herrenberg fahren. Die Erreichbarkeit der Stadt "darf natürlich nicht beeinträchtigt werden", so die Verwaltung.
Der VCD setzt sich ein für mehr Fuß, Rad, Bus und Bahn und weniger Autos. Im Einzelnen:
Sichere Fuß- und Radwege haben absoluten Vorrang! Dabei ist Flexibilität bei der Planung erforderlich: Je nach topografischen und baulichen Gegebenheiten (Herrenberg ist hügelig und hat enge Bebauung und schmale Straßen in der Kernstadt!) kann ein "Mitschwimmen" der Fahrräder im Verkehr sinnvoll sein - dazu ist konsequent Tempo 30 auszuschildern. Fahrradstraßen und Shared Spaces sorgen für eine weitere Reduzierung der Geschwindigkeit.
Es ist Kernaufgabe der Kommunen, für die Sicherheit ihrer Bürger, für die Attraktivität ihres Lebensraumes und für die Erfüllung der Klimaschutzziele zu sorgen. Die bestehende StVO behindert eine ökologische Verkehrswende, die den Klimaschutz voranbringt. Im Sinne der StVO unzulässige aber nötige Maßnahmen zum ökologischen Ausbau des Verkehrs müssen die kommunalen Verwaltungsspitzen in den höheren politischen Verwaltungsebenen (Kreis, Land, Bund) mit Mut, Kraft und Ausdauer durchsetzen.
Mehr auf der Homepage des VCD-Dachverbandes
Parken:
Rad- und Fußverkehr:
Zuviel und zu schneller rollender MIV:
Noch mehr Asphalt
ÖPNV