Bildquelle:Kreiszeitung
Die Seestraße, alter Zustand Ende 2019. Man steht am Nufringer Tor und blickt Richtung Reinhold-Schick-Platz. Wir schauen direkt in die Baumallee hinein, die die Parkplätze umgibt.
Im Zuge der Umgestaltung der Seestraße wurden 7 große Bäume längs der Seestraße gefällt. Somit ist anstatt der ürsprünglichen schattigen Baumallee zwischen Hirschgasse und Stadthallenstraße nur noch eine Baumreihe übrig. Laut mündlichen Aussagen von Gemeinderäten sollen weitere große Bäume weichen, vermutlich um Platz zu schaffen für ein flaches Wasserbecken und drei Pavillons. Verständlich, dass sich zunehmend kritische Stimmen aus der Bürgerschaft erheben. Auch Teile des Gemeinderates sehen die Dezimierung des alten dichten Baumbestandes kritisch, insbesondere aus Klimaschutzgründen. Die zunehmend heißen Sommer verlangen nach Beschattung.
Die Verwaltung reagierte auf die kritischen Stimmen aus der Bürgerschaft. BM Susanne Schreiber stellte Änderungen der ursprünglichen Planung vor. Es werden mehr Grünflächen angelegt und mehr Bäume gepflanzt. Trotzdem führt an der Fällung von fünf weiteren Bäumen kein Weg vorbei. In der grafischen Anlage zur Ratsdrucksache ist das wie folgt dargestellt:
Zwei Fotos zur Visualisierung, aufgenommen am 21. 11. 2020. Man stelle sich die zu fällenden Bäume (gelbe Pfeile) in der warmen Jahreshälfte vor:
Entwurf zur Umgestaltung des Bereiches Seestraße und Reinhold-Schick-Platz
1. Preis
Im öffentlich einsehbaren Entwurf zur "Umgestaltung des Bereiches Seestraße und Reinhold-Schick-Platz" (1. Preis im Wettbewerb, hier) fehlt die Baumallee komplett. Stattdessen wird u. A. ein flaches Wasserbecken vorgesehen. Der Jury gefiel u. a. die "lockere Atmosphäre", die durch Auslichtung des Baumbestandes und Neupflanzung junger Bäume geschaffen wird. Zitat: "Darüber hinaus lässt die lockere Baumstellung genügend Durchblicke zur historischen Stadtmauer und Altstadt offen und setzt diese wieder angemessen in Szene."
Entwurf zur Umgestaltung des Bereiches Seestraße und Reinhold-Schick-Platz
2. Preis
Interessant: Im ausgeschiedenen Entwurf des 2. Preisträgers des Wettbewerbes (hier) bleibt der alte Baumbestand komplett erhalten. Sogar (Zitat) "Die bestehenden Baumgruppen am Seelesplatz und im weiter östlich anschließenden Bereich der Seestraße werden durch neue Baumgruppen ergänzt." Und: "Als besonders prägnanten Grundzug der Arbeit wird die Rhythmisierung des Raumes durch Baumgruppen ausdrücklich hervorgehoben." Aber: "Die Lage der Bäume auf der Mittelinsel wird aus funktionalen Gründen kritisch angesehen." Es handelt sich um die rechte Reihe der Baumallee, wenn man Richtung Schick-Platz schaut.
Die Fällung dieser Baumreihe wurde offiziell wie folgt begründet: (Zitat aus der Kreiszeitung):
Durch die Verbreiterung des Straßenquerschnitts können sieben Bäume in der ersten Reihe entlang des Straßenverlaufs - sechs Platanen und eine Linde - auf keinen Fall erhalten werden, da zu stark in deren Wurzelbereich eingegriffen wird. Da diese rund 30 Jahre alten Bäume in einer Baumschule "auch fast so" gekauft werden können, sei eine Großbaumverpflanzung nicht wirtschaftlich, zumal es auch keine Garantie gebe, dass dies gelinge.
Eine "halb-offizielle" Begründung liest man in der Gemeinderatsvorlage DRUCKSACHE - NR. 2020-196 :
(...) Durch Auflockerung der Baumstellungen soll der Blick zur historischen Altstadt mit der markanten Stiftskirche geöffnet werden.
(...) Ein weiteres wichtiges Gestaltungselement ist die Begrünung. Um dem Platz eine lockere, der linearen Grundform entgegenwirkende Atmosphäre zu verleihen und gleichzeitig den Blick auf die historische Altstadt mit der Stiftskirche zu öffnen, wird ein lockeres Baumdach unter Erhalt und Einbeziehung eines Teils der vorhandenen Bäume vorgeschlagen. Im nördlichen Bereich müssen für die Realisierung des „Seeles“ noch vier Bestandsbäume entfernt werden, darunter eine Linde, die bereits starke Schäden aufweist und ohnehin in naher Zukunft gefällt werden müsste, sowie zwei relativ klein gewachsene Bäume (eine Linde und eine Platane). Von den großen, etwa 30 Jahre alten Bäumen im nördlichen Platzbereich (zwischen Fa. Kettner und Zufahrt Nufringer Tor, also heutiger Parkplatzbereich) werden - einschl. der bereits entfernten Bäume entlang der Seestraße - insgesamt 10 Bäume gerodet und 11 Bäume neu gepflanzt. 5 Bäume werden erhalten. Damit sind nach der Umgestaltung 13 Bäume auf dem neuen Platz geplant (vorher 15 Bäume).
Priorität für das Fällen des alten Baumbestandes ist, eine "offene Sichtachse von der Seestraße zur Altstadt und insbesondere zur Stadtmauer" zu schaffen und das geplante Wasserbecken (beim Nufringer Tor) zur Geltung zu bringen.
Die Bilder sprechen für sich ("Die Macht der Visualisierung").
Bildquelle: Vorstellung Entwurfsplanung ,Seelesplatz‘,
Technischer Ausschuss 10.11.2020,
Gemeinderat 17.11.2020
Klimaschutz durch große Bäume im Bestand als Schattenspender und CO2-Senken - die alte Baumallee - spielte für die Jury praktisch keine Rolle. Deshalb durfte gefällt werden. Wegen "freier Sicht auf die Altstadt". Und damit war die Verbreiterung der Seestraße möglich. Warum eigentlich trotz Verkehrsberuhigung? Haben die Radschutzstreifen einen Anteil an der Verbreiterung? Ist die "begrünte Mittelinsel" nötig?
Es wurde eine große Chance vertan, die Seestraße als Shared Space mit Tempo 10 oder 20 umzugestalten. Radschutzstreifen und Querungshilfen (Mittelinsel) wären nicht nötig.